Vorbemerkungen:
In diesem Beitrag äußere ich mich zu den Themen Kanada, mein Blog , Skat-WM und meine persönlichen WM-Erlebnisse. Sie bauen nicht aufeinander auf. Ihr könnt also zwischen den Themen hin und her springen.
Die in diesem Blog geäußerten Aussagen spiegeln lediglich meine persönliche Meinung wider. Was auch sonst? Mir ist bewusst, dass meine Meinung durch meinen Wissensstand, meine Erfahrungen und meine Wahrnehmung gefiltert ist. Mir ist bewusst, dass meine Wahrnehmung begrenzt und selektiv ist und nur einen sehr kleinen Teil der Realität wiedergeben kann.
Mein Fazit...
… zu Kanada
"Land! Immer nur das Land!"
Zwei Wochen in Kanada zu verbringen, hatte sich für mich wie Nachhausekommen angefühlt. Hätte man mir die Augen verbunden und mir gesagt, wir haben dich irgendwo auf dem Nordamerikanischen Kontinent ausgesetzt, ich hätte sofort auf eine amerikanische Stadt getippt. Straßen, die so breit waren, dass ich jedes Mal beim Überqueren den Schritt beschleunigte, damit ich den 20-Sekunden-Countdown an der Ampel schaffe. Öffentliche Busse, in denen ich schon vor 20 Jahren saß und die gelben Kabel zog, wenn ich einen Haltewunsch hatte - „Stop requested!“ Bordsteinwege, die zu zaunlosen Vorgärten übergingen, auf denen man sich wie ein Paperboy aus „Zurück in die Zukunft“ zurückversetzt fühlte. Menschen, die einen ständig mit der inflationär verwendeten Frage „How are you?“ begrüßen. Auf der einen Seite ist es gestattet, weed auf der Straße zu rauchen, auf der anderen aber untersagt, Alkohol in der Öffentlichkeit zu konsumieren.
You get the idea.
Für mich wird es immer etwas Besonderes bleiben, in ein Land zu reisen, das ich als kleiner Junge aus Film und Fernsehen kennen und in der 11. Klasse (Alaska) lieben gelernt habe. Letzteres kann ich aus vollem Herzen vor allem über die vielseitige Natur dieses wunderschönen Kontinents behaupten.
Speaking of: Junge, ist dieses Land riesig. Offensichtlich. In meiner Vorstellung muss die Provinz Alberta der größte Flickenteppich der Welt sein. Brandenburg hoch zehn. Stellt euch ein handelsübliches Schachbrett vor und skaliert es auf die Größe einer größeren Kanadischen Stadt. Let´s say Edmonton. Auf diesem 600km² (Berlin ca. 860km²) großem Schachbrett sind nun die Verkehrsstraßen angelegt. Schön übersichtlich. Leichte Orientierung. Parallel verlaufende Straßenzüge, quadratische Blocks. Gefühlt kennen die nur rechte Winkel. Und nun vergrößern wir dies auf die Fläche (etwa 2x Deutschland) von diesem topfebenen Alberta, wo die Straßen, so scheint es, wie ein Strich von Horizont zu Horizont führen. Muss Autofahren dort Spaß machen.
Oder wie ein kanadischer Robinson Crusoe sagen würde: „Land! Immer nur das Land!“
… zum WM-Blog
Zunächst möchte ich euch zeigen, was ihr angestellt habt:
Stand heute haben knapp 1500 Personen (Laut meines Webanbieters könnten wir damit ein Broadway-Theater 2,9-mal füllen.) mindestens einmal auf dem Blog vorbeigeschaut und dabei durchschnittlich 7,5 Minuten Zeit verbracht. 85% der Besucher kamen aus Deutschland. Das ist nicht besonders überraschend. Die 40 Besuche aus Singapur oder ein paar wenige aus Ägypten und Neuseeland finde ich dagegen erstaunlich. Mit über 900 Aufrufen war der Artikel über die 16 Finalteilnehmer am erfolgreichsten. Einen gewissen Boost hatte der Blog durch die Erwähnungen auf den Seiten der ISPA, des DSKV und Euroskat bekommen. Immerhin knapp 100 Leser kamen von Facebook "rüber".
Diesen Blog zu verfassen, erlaubt es mir, mich kreativ zu entfalten, euch die facettenreiche Welt des Skats näherzubringen und einen Beitrag zur Erhaltung unseres immateriellen Kulturguts zu leisten. Gleichzeitig bin ich tiefer in das Turnier eingetaucht, war näher an den Teilnehmern dran und bin enger mit euch in Kontakt getreten, als ich es ohne den Blog hätte tun können. Immer wieder kamen SpielerInnen auf mich zu und haben mich auf den Blog angesprochen.
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich beim Vorstand und Orga-Team der ISPA für die große Unterstützung und Privilegien bedanken, die mir während des Turniers eingeräumt wurden. Es hatte sich das schöne Gefühl eingestellt, auch als Journalist vor Ort zu sein.
Ich möchte auch den Spielern und Spielerinnen Dank zollen, die sich bereiterklärten, sich von mir fotografieren, filmen und interviewen zu lassen. Die Nähe zu euch hat diese WM zu etwas noch Besonderem für mich werden lassen.
Bereits vor meiner Abreise stand für mich fest, dass ich den Blog auch nach der WM fortführen werde. Lasst euch also überraschen, welche Themen euch in nächster Zeit erwarten werden. So viel sei gesagt: Es wird neue Kategorien innerhalb des Blogs geben. Eine von ihnen soll "Lehrmeister Skat" heißen, in der ich überraschende Konzepte beschreibe, die sich im Skat wiederfinden.
Eine andere wird sich vielleicht mit der Gründung einer ISPA-Sektion befassen. Denn es wurden Pläne mit der "Irischen Delegation", bestehend aus meinem Tandempartner, Andreas Träm, und seinen Söhnen, geschmiedet, eine Sektion Irland zu gründen und ein Nationalteam aufzubauen.
… zur Skat-WM
„The needs of the many outweigh the needs of the few.” Spock
Nehmt einmal in eurer Skatlaufbahn an einer EM oder WM teil! Wenn möglich, im Ausland. Überlegt einmal: Wie viele Weltmeisterschaften anderer Sportarten fallen euch ein, an denen ihr „einfach so“ teilnehmen könntet, ohne euch dafür qualifizieren zu müssen?
Ich habe in drei anderen Sportarten (Tischtennis, Laufen, Triathlon) bereits Wettkämpfe im Ausland bestreiten dürfen und es hat jedes Mal zu den Highlights meiner sportlichen „Karriere“ gehört. Und genauso verhielt es sich mit der Skat-WM in Edmonton. Allein das Reizen auf Denglisch aus den Mündern von Kanadiern und Amerikanern war einfach himmlisch. Und wie oft habt ihr schon Skat gegen Nichtdeutsche gespielt? Auch ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern und (Skat)-Freunden außerhalb der eigenen Heimat weckt das schöne Gefühl, Teil einer sportlichen Gemeinschaft und des Mikrokosmos Skat zu sein.
Besonders war ich von der fröhlichen, gemeinschaftlichen, ja, fast familiären Atmosphäre während und abseits des Turniers angetan. Allen voran die immer gutgelaunten Kanadier, die ständig für Stimmung sorgten. Dem tat der Sieg in der Nationenwertung keinen Abbruch. Auf heimischen Boden. Eine Kanadierin mit Bronze im Einzel. Vier Finalisten aus dem eigenen Land. Und ein Finaleinzug bei der ersten Teilnahme. Mit Ansage! #ArnoVonHacht
Eine mir unbekannte Tradition der Kanadier war es, lauthals aufzustehen, nachdem man mit seinen Punkten wieder in den positiven Bereich gelangt war.
Um noch mehr SpielerInnen eine Teilnahme an einer EM oder WM zu ermöglichen, wird es meiner Einschätzung nach, besonders in Anbetracht der traurigen Tendenz des Mitgliederschwundes, nötig sein, eine Großveranstaltung in Europa durchzuführen. Man wird es nie allen Sektionen und ihren Mitgliedern recht machen können. Wie auch? Doch der überwiegende Teil der Skatspieler und Spielerinnen lebt nun einmal in Mitteleuropa.
Auch wenn man immer nur gegen die Leute siegen und verlieren kann, die auch antreten, sind die Platzierungen umso bedeutsamer, je mehr Teilnehmer ein Turnier hatte.
Bei allen Befindlichkeiten (zum Beispiel Zweifel an der spielerischen Qualität dieser WM), die ganz natürlich entstehen, wenn Menschen aufeinandertreffen, möchte ich ins Bewusstsein rufen, wie privilegiert wir doch sind, überhaupt darüber nachzudenken, überregional geschweige denn international zu Skatveranstaltungen zu reisen und unser geliebtes Hobby Skat ausüben zu können. Wie vielen Menschen bleibt es verwehrt, gar Spielkarten in den Händen zu halten!?
An dieser Stelle möchte ich im Namen der WM-Teilnehmenden bei
Rosita „die Chefin“ Rodehüser,
Erwin „el Capitan“ Kröhle,
Thomas „el Presidente“ Munzert,
Sven-Oliver „announcing secretary“ Krack,
Gerd „hier-oben-ist-das-Vöglein“ Reiner,
und Sebastian „edv“ Schlüter
für die professionelle Durchführung der Skat-WM Danke sagen!
Meine Optimierungsvorschläge für die Durchführung einer EM bzw. WM:
Obgleich der Transport von Tablets für ein Turnier in Übersee kostspielig ist, so sind die Vorzüge des Skat-Gurus und einer elektronischen Listenführung hinlänglich bekannt und in Zukunft sehr erwünscht. (Anm. d. Red.: Die EM 2023 ist mit Tablets geplant.)
Mir haben im Rahmen der Ergebnisdienste die Tageswertungen gefehlt. Sicher würde eine Auskunft über die Ergebnisse des Tages für alle Beteiligten von Interesse sein.
Die Entrichtung des Verlustspielgeldes am Ende eines Turniers finde ich äußerst sinnvoll und Trend setzend.
Die Zustimmung aller Beteiligten vorausgesetzt, schlage ich die Einrichtung eines „Feature Table“, ähnlich wie bei Poker Turnieren, vor, dem die Zuschauer weltweit live und im Nachhinein folgen können.
… zu „meiner“ WM
Halten wir zunächst die Fakten fest:
Platzierung Einzel: 67 von 122 (vier haben das Turnier nicht beendet)
Platzierung Tandem: 18 von 22
Platzierung Mannschaft: 7 von 10
G V G Schnitt Spielanteil Gewinnquote Summe
Platz 122: 78/42/68 5/2,8/4,5 22,22% 65,00% 87,22 (letzter Platz)
Platz 100: 148/33/71 10/2,2/4,7 33,52% 81,77% 115,29
Platz 67: 134/19/82 9/1,3/5,5 28,33% 87,58% 115,92 (Ich)
Platz 32: 154/24/68 10/1,6/4,5 32,96% 86,52% 119,48 (letzter Geldplatz)
Platz 16: 166/20/85 11/1,3/5,7 34,44% 89,25% 123,69 (Arno von Hacht)
Platz 10: 177/32/81 12/2,1/5,4 38,70% 84,70% 123,39 (Ron Link)
Platz 3: 169/16/72 11/1,1/4,8 34,26% 91,35% 125,61 (Angelika Pullig)
Platz 1: 174/13/75 12/0,9/5,0 34,63% 93,63% 127,68 (Deni Lazicic)
Zessionar bei Euroskat: 44,80% 80,90% 125,70 (über 95700 Spiele)
Bei dieser Statistik der WM-Teilnehmenden bin ich für die Berechnung des Spielanteils von 24 eingepassten Spielen ausgegangen. Die tatsächliche Zahl lässt sich natürlich nicht aus den Ergebnissen ablesen. Auch über die tatsächliche Beteiligung an Beetspielen (weil Vierertische) lässt sich keine Aussage treffen, weshalb ich sie hier nicht weiter beachtet habe.
Aus den Werten lässt sich entnehmen, dass ein hoher Spielanteil oder eine hohe Gewinnquote allein nicht bedeutsam für ein erfolgreiches Abschneiden ist, sondern erst in Kombination. Je höher die Summe beider Quotienten, desto besser die Platzierung. Dieser Zusammenhang lässt sich besonders am Beispiel von Platz 10 zeigen. Im Vergleich zu mir hat er fast 5 Spiele pro Serie mehr gewonnen, aber auch fast doppelt so viele Spiele verloren, bei ähnlich vielen Beetspielen.
Ich schließe für mich daraus, dass ich über das Turnier hinweg zu defensiv agiert habe und in Zukunft risikofreudiger reizen muss, wenn es mal für vordere Platzierungen reichen soll. Ob es am Ende vielleicht auch an mangelndem Material gelegen hat, würde vermutlich eher einer Rechtfertigung als der Realität nahe kommen. Letztendlich lässt sich das wohl nur schwerlich einschätzen.
Auf der emotionalen Ebene lässt sich sicher für viele Turnierteilnehmende sagen, dass man besonders auf solch einer langen Distanz auf einer Achterbahn der Gefühlswelten reitet: sicher geglaubte Spiele, die verloren gehen; Partien, werden noch gedreht, auf die man keinen Pfifferling mehr gewettet hätte; selbstverschuldete Niederlagen; fremdbestimmte Siege; erfreuliche Ergebnisse reihen sich an enttäuschende Listen; Frustrationen, Stolz und Glück geben sich die Klinke in die Hand; auch die Konzentration will dauerhaft hochgehalten werden.
Die mentale Erschöpfung nach sechs mal sechs Stunden täglicher Konzentration war für mich am Ende deutlich zu spüren. Hinzu kam für mich die zusätzliche Arbeit an diesem Blog.
Auch wenn ich mit meinem Abschneiden nicht zufrieden bin, so kann ich zumindest behaupten, stets mein Bestes gegeben zu haben. Die gewonnenen Erfahrungen sowohl spielerisch, wettkampftechnisch als auch zwischenmenschlich schätze ich als beachtlich ein.
Skat ist und bleibt ein brutales Spiel, das mit seinem bunten Strauß menschlicher Emotionen zurecht als mentaler Leistungssport bezeichnet werden kann.
Und so bleibt mir am Ende nur zusammenzufassen:
Wie kann man dieses schöne Kartenspiel nicht lieben!?
Bis ganz bald,
euer Jörg
Sehr toll geschrieben, fast etwas “romantisch“… Macht Spaß zu lesen und diese Begeisterung und der Enthusiasmus ist echt ansteckend.
Sportliche Grüße
Joschi
Ein ganz tolles Fazit! Man merkt Dir die Liebe zum Skat an, und Du bist wirklich ein toller Botschafter dafür.
Nun ist auch Kanada auf meine to do List gekommen und ich bin eine von bestimmt ganz vielen, die jetzt möglicherweise doch mal an ein solches Gross-Event der Skat-Welt teilnehmen wollen. Jetzt, wo ich weiß, wie so etwas ungefähr abläuft und man auch mit mittelmäßigem Kartenspiel -aber mit viel Spielfreude- seinen Teil durch die Teilnahme beitragen kann. Ich freue mich schon auf die zukünftigen Blogs.